Ein Erfahrungsbericht von Gracia Gracioso
Am Freitag, dem 13.01.2012, lud das Pulse Frankfurt, einer der renommiertesten Schwulenclubs Frankfurts zum größten Drag-Queen-Contest Hessens ein. Bereits einige Wochen zuvor mussten sich die Anwärterinnen via Mail oder in der extra dafür gegründeten Facebook-Gruppe „Diva Deluxe 2012“ anmelden. Mit aufwändig gedrehten YouTube-Werbevideos bereitete das Eventmanagement des Pulse bereits Wochen zuvor schon riesige Lust, bei der Show einfach mitzumachen oder zumindest dabei zu sein.
Doch der große Ansturm blieb zumindest auf der Facebook-Seite aus. Als zehn Tage vor dem großen Event die zehn Finalistinnen über diese Seite bekannt gegeben wurden, wurde ich den Eindruck nicht los, dass auch über E-Mail wenige Anmeldungen ins Haus geflattert sein müssen. Denn zu meinem großen Entsetzen stellte ich fest, dass Viola Black, welche bereits im Vorjahr an diesem Contest teilgenommen hatte, schon wieder im Finale stand. Weitere Finalistinnen waren Luise Schrill, Fran Kasten, Zoé Head Burn, Shirley Cross, Maya Maga, Piper Rose, Dita Deluxe, Audrey Diamond und Yeanne. Letztere zog bereits aus persönlichen Gründen schon wenige Tage nach der Nominierung ihre Anmeldung wieder zurück. Auch die Vorjahresteilnehmerin Viola erschien letztendlich nicht. Lange vor der Bekanntgabe der 10 Drags wurden die beiden Moderatorinnen Jessica Walker (Frankfurt) und Brigitte Blamage (Karlsruhe)über diverse Medien vorgestellt. Aus der Jury machte man noch bis wenige Tage vor der Show ein großes Geheimnis: Manuela Mock (Ikone der Frankfurter Szene und Buchautorin), Celine Bouvier (Vorzeige-Drag Queen aus Mannheim) und Christiane Klimt (Telenoveladarstellerin) wurden von Monrose-Mitglied Senna Gammour vervollständigt.
Dann war es endlich soweit. Als ich gegen halb zwölf das Pulse betrat, wurde ich förmlich vom Blitzlichtgewitter einiger Fotografen dermaßen geblendet, dass ich meine Begleitung aus den Augen verlor. Direkt am Eingang gab Manuela Mock eine Signierstunde zu ihren Buch „Eine echte Diva...“. Vor dem großen Standplakat ließ es sich die Diva nicht nehmen, sich auch mit uns ablichten zulassen. Der große Auftritt war gelungen. Auch Steffen Lopens, der Eventmanager, begrüßte mich mit strahlenden Augen und dem Kommentar: „Schön, dass du doch als Gracia erschienen bist!“ Nach vielen Bussis hier und dort, einigen kurzen Smalltalks und noch weiteren Fotos arbeiteten wir uns zur Gaderobe vor. Einen kurzen Blick in den Spiegel—Lippenstift sitzt—wollten wir pünktlich zum Start der Divenschau zur Bühne. PECH – dort war bereits alles so überfüllt, dass wir uns dann doch einen Sitzplatz vor einem der Bildschirme suchten, um von dort aus das Geschehen zu begutachten. Pünktlich um Mitternacht war es soweit. Das Jurymitglied Celine Bouvier begrüßte mit Witz und Charme das Publikum und hieß die Moderatorinnen willkommen. Monique de la Fressange, Diva Deluxe2011, begeisterte das Publikum mit einer Show, die zugegeben etwas mau begann, sich aber dann dermaßen steigerte, dass mir die Luft weg blieb. Perlenketten wurden zerissen, die Perücke wurde vom Kopf gerissen und ganz viel Haut gezeigt. Daraufhin wurde die Jury kurz vorgestellt und schon ging es los. Nach einem kurzen Catwalk jeder Teilnehmerin und einer ersten Einschätzung der Jury begannen die individuellen Showeinlagen jeder Anwärterin. Gegen 1:45 Uhr waren alle Teilnehmerinnen durch, gegen 2:30 Uhr kam schließlich die Siegerehrung.
4. Platz: Shirley Cross
3. Platz: Zoé Head Burn
2. Platz: Luise Schrill
1. Platz: Fran Kasten
Im Folgenden möchte ich neben den oben aufgeführten Fakten nun auf meine persönlichen Eindrücke des Abends zurückkommen: Das Pulse ist weit über die Grenzen Hessens für seine außergewöhnlichen Events bekannt und auch schon mit Preisen überhäuft worden. Doch von diesem Abend war ich wirklich enttäuscht. Hatte sich das Pulse bei der Planung zwar so sehr ins Zeug gelegt, so ging dennoch Einiges nach hinten los.
Brigitte Blamage hatte im Jahr 2011 einen Preis als Nachwuchs-Drag Queen gewonnen; die Idee, sie als Co-Moderatorin neben Jessica Walker aufzustellen, begrüßte ich daher. Überdies stellte ihre Co-Moderation vom Pulse einen guten Schachzug dar, da so auch das Gefolge der Karlsruherin nach Frankfurt gelockt werden konnte. Die Rechnung ging auf, waren doch viele (auch mir bereits perönlich bekannte) Anwärterinnen aus dem Großraum KA angereist. Jedoch musste ich zu meinem Bedauern feststellen, dass Brigitte Blamage neben der Grande Dame Jessica Walker sowohl äußerlich als auch auf die Moderation bezogen eher etwas amateurhaft wirkte. Jessica Walker präsentierte sich, wie eh und je, souverän und brachte Glanz auf die Bühne. Rückblickend hätte ich neben ihr lieber Celine Bouvier gesehen, die mit ihrer Bühnenpräsenz mit der Walker mithalten hätte können. Auch der badische Dialekt der Blamage kam eher weniger beim Publikum an. Hier wäre es besser gewesen, die Aufgaben anders zu verteilen; die Fans der Blamage wären bestimmt auch so nach Frankfurt gereist.
Die Juryauswahl war nur teilweise gelungen. Manuela Mock ist bereits Veteranin in der Jury von Diva Deluxe und gehört für mich einfach dorthin. Sie setzt sich beinahe täglich mit dem Thema „Diva“ auseinander, ist Fachfrau mit ihrem Geschäft „Transnormal“ und sorgt dafür, dass die Jury auch durch Prominenz erweitert wird. Ihre Kommentare waren angebracht, und manchmal schien sich zwischen den Zeilen so manche versteckte Kritik herauslesen. Das Jurymitglied Christiane Klimt, bekannt aus der Daily-Soap „Alles was zählt“, war für mich persönlich auch eine Fehlbesetzung. Mit einem wunderschönen schwarz-weiß Kleid wirkte sie zwar optisch wie eine Diva, ging aber eher wie ein graues Mäuschen zwischen all den Drags unter. Ausgestochen wurde sie von Senna Gammour, bekanntes Monrose-Mitglied. Senna machte qualifizierte Bemerkungen zu den jeweiligen Darbietungen und übte auch gerechtfertigte Kritik. Ihre Erfahrungen bei Castingshows machten sie in meinen Augen zu einem guten und ernstzunehmenden Jurymitglied. Celine Bouvier hätte ich, wie bereits oben geschrieben, lieber als Moderatorin gesehen. Ihre Fähigkeiten kamen in der Jury nicht genügend zur Geltung. Ihr Outfit war ein Traum.
Die Teilnehmerinnen und damit Diva-Deluxe-Anwärterinnen waren eine Nummer für sich. Aus der ferne wirkten die jeweiligen Shows eher wie amateurhafte Travestieshows. Neben Tanzeinlagen, die nie wirklich richtig geprobt wurden, und schlechten Playbacks stachen von Anfang an zwei Damen hervor. Zum Einen Luise Schrill, die mit Livegesang absolut überzeugen konnte. (Leider musste sie die ersten 90 Sekunden ohne Mikrofon singen, da es Probleme mit der Technik gab.) Des Weiteren sorgte Fran Kasten mit ihrer Revuenummer für Schmunzeln auf den Gesichtern. Aber auch dort saß das Playback nicht wirklich. Negativ viel mir Maya Maga auf, die ich bereits seit einiger Zeit immer mal wieder bei solchen Contests sehen durfte. Zwar hatte sie ein wirklich ansprechendes Kostüm, aber ihre Samba-Nummer wirkte steif, verkrampft und unbeholfen. Ihr Livegesang in Ehren, aber ein gutes Playback wäre hier besser gewesen. Shirley Cross überzeugte mehr mit einem extravaganten Kostüm, dass für große Augen sorgte, als mit ihrer Choreographie. Die anderen Teilnehmerinnen hatten beneidenswerte Figuren und tolles Make-Up, aber bereits einen Tag nach der Show kann ich mich nur noch an einen Einheitsbrei erinnern. Musikalisch fielen negativ mir die starken Parallelen zur Diva-Deluxe-Gewinnerin 2011 Monique auf; dies kann aber natürlich auch nur reiner Zufall sein. Jedenfalls stachen die meisten Teilnehmerinnen mehr durch leeres Posing und durch eitles Haarefummeln hervor als durch eine wirklich hochwertige Drag Queen-Show.
Der Abend ging auch von Seiten des Pulse bestimmt in die Geschichte der Pleiten, Pech und Pannen ein. Ob Freitag der 13. daran seinen Anteil hatte werden wir wohl nie erfahren. Probleme mit dem Ton sowohl in der Jury als auch bei den Liveperformances kamen auf. Videoeinspieler von Manuela Mock und ihrem Buch kamen mal, mal kamen sie nicht. Bezüglich der Vergabe der Siegerplätze: ich begrüßte es, dass auch der 4. Platz gewürdigt wurde. Aber das fiel den Verantwortlichen wohl etwas spät ein. Von viertem Platz würde man erwarten, dass er vor dem dritten und zweiten Platz verliehend wird... und nicht erst danach. Bei der Bekanntgabe des 2. Platzes bemerkte ich auch in den Augen einiger Jurymitglieder etwas Verwirrung. Luise Schrill nur auf dem zweiten Platz? Hätte sie nicht siegen sollen? Das Publikum hatte bei ihrer Darbietung getobt, und nun das? Mal ehrlich, ich bin selbst noch nicht lange in diesem Business, aber was erwartet ihr? Eine Pforzheimerin als Diva Deluxe? Die Siegerin soll das Pulse und auch Frankfurt repräsentieren. Auf diese Gedanken kam ich aber auch erst, als ich den Namen der transexuellen Siegerin hörte: Fran Kasten!
Diva Deluxe hatte dieses Jahr wenig mit Frankfurt oder sogar Hessen zu tun. Wo waren die großen Frankfurter Drag Queens, auf die ich mich so gefreut hatte? Babsi Heart, Crystel Cox, Brandy D Light, Vanessa P., Kelly Hiton, etc.? Zwar entdeckte ich Law-Ra Vicious und Frau Schulz incognito, aber die Szeneprominenz hat mir einfach bei diesem Event gefehlt. Auch habe ich keine einzige Teilnehmerin vom letzten Jahr angetroffen. Vielleicht waren sie ebenfalls in der Masse untergetaucht.... aber sie haben mir gefehlt. Neben Monique de la Fressange und Jessica Walker waren keine Bühnendrags aus FFM anwesend. Kleine Highlights waren neben den vielen transexuellen Besuchern und einigen Crossdressern Gina Giaro und Adila Adore.
Als Fazit muss ich sagen, dass ich unzufrieden nach Hause gefahren bin. Das Pulse hatte super Ideen und die Werbung war genial.... aber die Erwartungen eben auch genau so hoch. Der Eintritt war frei und der Service super. Mein Fazit: Ein solches Event nur alle zwei Jahre, damit auch der Nachwuchs eine Chance hat, sich zu regenerieren und die Besonderheit des Events erhalten bleibt.